Abmahnung wegen Markenrechtsverletzung bei Kleidung & Textilien
Die Verwendung von Zeichen als Modellbezeichnung bei Textilien und Bekleidungsstücken ist ein häufiger Streitpunkt im Markenrecht. Insbesondere die Frage, wann eine solche Bezeichnung als markenmäßige Nutzung – und damit als potenzielle Markenrechtsverletzung – zu qualifizieren ist, beschäftigt regelmäßig die Gerichte. Die Rechtsprechung, insbesondere die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) zu „MO“ und „SAM“, sowie zahlreiche OLG-Entscheidungen, haben hierfür klare, aber einzelfallabhängige Kriterien entwickelt.
1. Grundsatz: Markenmäßige Benutzung als Voraussetzung
Eine Markenrechtsverletzung setzt voraus, dass das fremde Zeichen „markenmäßig“ benutzt wird. Das bedeutet, der angesprochene Verkehr muss das Zeichen in der konkreten Verwendung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Ware verstehen – also als Marke und nicht lediglich als dekoratives Element oder bloße Modellbezeichnung.
2. Kriterien der Rechtsprechung für Textilien und Bekleidung
Die Beurteilung, ob eine markenmäßige Nutzung vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Die wichtigsten von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien sind:
- Herkunftshinweis: Entscheidend ist, ob der durchschnittliche Verbraucher in der Modellbezeichnung einen Herkunftshinweis sieht oder lediglich eine Beschreibung des Produkts wahrnimmt].
- Branchenübliche Kennzeichnungsgewohnheiten: Im Textilsektor ist es üblich, neben der Hersteller- oder Dachmarke auch Modellbezeichnungen zu verwenden. Der Verkehr erkennt meist in der Herstellerangabe den Herkunftshinweis, nicht zwingend in der Modellbezeichnung.
- Gestaltung und Hervorhebung: Eine blickfangmäßige oder besonders hervorgehobene Platzierung der Modellbezeichnung kann für eine markenmäßige Nutzung sprechen. Wird das Zeichen jedoch nur als Teil einer längeren Produktbeschreibung oder in Kombination mit einer klar dominierenden Herstellermarke verwendet, spricht dies gegen eine markenmäßige Nutzung.
- Bekanntheit und Unterscheidungskraft der Modellbezeichnung: Fantasiebezeichnungen oder seltene Vornamen können eher als Herkunftshinweis verstanden werden als gebräuchliche Vornamen oder geläufige Begriffe, die häufig als Modellbezeichnung genutzt werden.
- Gesamteindruck des Angebots: Die Angebotsgestaltung im Online-Shop oder Katalog ist in ihrer Gesamtheit zu betrachten, insbesondere die Reihenfolge und optische Hervorhebung der Zeichen].
BGH-Urteile „MO“ und „SAM“: Leitlinien
BGH „MO“ (Urteil v. 11.04.2019 – I ZR 108/18)
- Der BGH stellte klar, dass bei der Verwendung einer Modellbezeichnung zusammen mit einer Herstellermarke maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist.
- Im Modebereich sieht der Verkehr den Herkunftshinweis regelmäßig in der Herstellerangabe, insbesondere wenn diese vorangestellt oder besonders hervorgehoben ist.
- Wird neben der Herstellerangabe ein weiteres Zeichen als Modellbezeichnung verwendet, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass auch dieses Zeichen als Herkunftshinweis verstanden wird.
BGH „SAM“ (Urteil v. 07.03.2019 – I ZR 195/17)
- Auch bei identischer Zeichenverwendung („SAM“ als Modellbezeichnung für eine Hose) ist entscheidend, ob der Verkehr das Zeichen als Marke versteht.
- Der BGH hob hervor, dass die Annahme einer markenmäßigen Benutzung positiv festgestellt werden muss. Es reicht nicht aus, dass das Zeichen unterscheidungskräftig ist oder nicht rein beschreibend verwendet wird.
- Die frühere Rechtsprechung, wonach Modellbezeichnungen im Bekleidungssektor regelmäßig als Herkunftshinweis gelten, wurde ausdrücklich aufgegeben.
4. Wichtige OLG-Entscheidungen der letzten Jahre
- OLG Frankfurt zu „MO“ (2020, 2021): Das OLG Frankfurt hat die BGH-Rechtsprechung umgesetzt und entschieden, dass „MO“ in bestimmten Angebotsgestaltungen als Herkunftshinweis verstanden werden kann, insbesondere wenn das Zeichen als Zweitmarke hervorgehoben wird. In anderen Fällen, etwa bei langen, komplexen Produktbezeichnungen, wurde die markenmäßige Nutzung verneint.
- OLG Frankfurt zu „SAM“ (2021): Die Verwendung von „Sam“ als Modellbezeichnung für eine Steppjacke wurde nicht als markenmäßige Benutzung gewertet, da das Zeichen nicht als Herkunftshinweis verstanden wurde.
- OLG Frankfurt zu Dekorationsschriftzügen („BLESSED“, 2022): Nicht jeder Schriftzug auf einem Kleidungsstück wird als Marke verstanden. Geläufige Wörter oder Fun-Sprüche werden meist als dekoratives Element und nicht als Herkunftshinweis aufgefasst, insbesondere wenn die eigentliche Marke (z.B. „Puma“) deutlich erkennbar ist.
5. Zusammenfassung der Kriterien (Checkliste)
Kriterium | Bedeutung für markenmäßige Nutzung |
Herkunftshinweis | Muss vom Verkehr als solcher erkannt werden |
Branchenübliche Verwendung | Modellbezeichnungen sind nicht automatisch Markenhinweise |
Gestaltung/Hervorhebung | Blickfangmäßige Darstellung spricht für Markenfunktion |
Bekanntheit/Unterscheidungskraft | Fantasiebezeichnungen eher als Marke, gebräuchliche Namen eher nicht |
Gesamteindruck | Gesamte Angebotsgestaltung ist entscheidend |
Fazit
Ob eine Modellbezeichnung bei Textilien eine markenmäßige Nutzung darstellt, ist stets einzelfallabhängig und erfordert eine genaue Analyse der Angebotsgestaltung, der Kennzeichnungsgewohnheiten im Modebereich und der Wahrnehmung des angesprochenen Verkehrs. Die aktuelle BGH- und OLG-Rechtsprechung hat die Anforderungen an die Annahme einer Markenverletzung deutlich verschärft. Unternehmen sollten daher bei der Verwendung von Modellbezeichnungen besonders sorgfältig vorgehen und im Zweifel rechtlichen Rat einholen, um Abmahnungen und Klagen zu vermeiden.